Es ist halb acht am Morgen. Viele Thais haben den Tag schon einige Stunden früher angefangen, um die kühlste Zeit auszukosten. Später, wenn es heiß wird, ist es in den Straßen von Bangkok kaum noch auszuhalten. Die Stadt heizt sich auf wie eine Sauna und die Leute hier versuchen es zu vermeiden, sich der Sonne auszusetzen.

Jetzt zu dieser Zeit des Tages sind die engen Bürgersteige neben der Hauptstraße gefüllt mit Studenten, auf ihrem Weg zur Universität. Andere sind unterwegs, um auf die Arbeit in der Innenstadt zu gelangen. Sie stehen zum Teil auf der Straße, um auf einen der vielen Busse zu springen oder eines der bunten Taxis zu ergattern.

Ramkhamhaeng Highway in Bangkok

Ramkhamhaeng Highway in Bangkok

Die dreispurige Straße ist gestopft voll mit Vehikeln aller Art. Über ihnen kann man die Luft in den Abgasen, welche sich unter der großen Highwaybrücke sammeln, flirren sehen.
Bubbha Patchuey (23) wartet in Schuluniform gekleidet, einem schwarzen, knielangen Rock und einer weißen Bluse, vor einem der in Thailand extrem zahlreich vertretenen 7 Eleven Supermarktketten.

Sie wartet auf einen der Busse in Richtung der Ramkhamhaeng Universität. Auf die Frage, warum sie den kurzen Weg nicht zu Fuß geht, antwortet sie auf Englisch, mit starkem Thai-Akzent: “ Ich bin zu faul und habe keine Lust zu schwitzen. Außerdem kostet der Bus nur acht Baht, und ich muss nicht lange warten, die kommen fast ununterbrochen hier vorbei.”

Was sie nicht erwähnt hat, ist , dass sich viele Mädchen in Thailand auf gar keinen Fall der Sonne aussetzen wollen, um nicht braun zu werden. Das Schönheitsideal ist blütenweiß, und das sieht man auch an Bubbha.

Bus in Thailand. Foto von Stefanie Irl.

Bus in Thailand. Foto von Stefanie Irl.

Der Bus mit der Nummer 71 kommt mit – in Deutschland würden wir sagen „überhöhter Geschwindigkeit“ – an die Haltestelle gerauscht. Ungefähr zehn Leute warten geduldig und sauber in einer Warteschlange aufgereiht . Bubbha warnt noch beim Aufsprung auf den Bus vorsichtig zu sein. Man muss wortwörtlich schnell aufspringen.

Kaum hat der Bus mit quietschenden Reifen abgebremst, nimmt er ohne wirklich angehalten zu haben wieder rasant an Fahrt auf. Die neu eingestiegenen Fahrgäste hangeln sich verkrampft durch den Bus, um den nächsten freien Sitzplatz zu erreichen, ohne durch den Bus zu purzeln.

Thomas Weistal (28) ist ein groß gewachsener Deutscher mit schulterlangen hellbraunen Haaren und stechenden blauen Augen. Er studiert an der auch in Ramkhamhaeng gelegenen ABAC oder Assumption Universität. Er benutzt den Bus weil er am Morgen immer ziemlich spät dran ist, und es mit dem Bus schneller geht. Etwas schwer verständlich, weil er den Mund voll mit frittierten Bananen hat, grinst er: “ Hier drin hab ich Zeit, während der 5 Minuten Fahrt mein Frühstück einzunehmen, mit einer Extra-Portion Adrenalin dazu.”

Verschmitzt erklärt er mir, wie es ihm wie ein Rennen zwischen den verschiedenen Busfahrern vorkommt. Sie hupen sich gegenseitig an, überholen und schneiden sich als wäre es das Normalste auf der Welt. Nebenbei tönt auf voller Lautstärke ein Thai-Volkslied aus dem Radio.

”Unvorstellbar in Deutschland, und darum so interessant!” ruft mir Thomas über die Schulter zu, als er an der offenen Tür, des immer noch fahrenden Busses, zum Absprung bereit steht.
Nach der Vorlesung geht Thomas meist zu Fuß zurück. Sein Weg verläuft im Schatten der auf massiven Pfeilern gebauten Hochstraße. Diese bildet die zweite Verkehrslage der Hauptstraße.

Verapong Jidpram (22) aus Thailand, ein Klassenkamerad von Thomas erzählt mir, dass dies ein typisches Bild einer Straße in Bangkok ist. Riesige Straßen und massive Brücken und Highways sind überall zu sehen. Etwas sarkastisch fügt er hinzu, dass auch eine dritte Straßenlage den ganzen Verkehr in Bangkok nicht tragen könnte.

auf-zum-markt-bangkok

Es gibt hier auf 10 Millionen Einwohner 8 Millionen Autos. Da muss man sich nicht fragen, warum Bkk ein Verkehrsproblem hat. Die Regierung ist auch noch stolz auf einen Anstieg von 450% im Automobilhandel in Thailand. “Das ist absolut kontraproduktiv in Bezug auf die Lebensqualität!” führt Verapong aus. Betont ironisch unterbricht Thomas ihn: ”Ich glaub, dass es gut ist. Sie sollten noch ein paar mehr Autos rein schicken, das macht es viel leichter und sicherer die Straße zu überqueren, wenn sich nichts mehr bewegt.“

Und dann ist es so weit, um ungefähr 17 Uhr bewegt sich der Verkehr nur noch extrem schleichend. “Ein Stau wie er im Buche steht, und das jeden Tag um die gleiche Zeit”, murmelt Piere Durand (58) aus Frankreich.

Er ist ein kleiner Mann, für einen Europäer. Eher die Größe eines Thai und mit seinem wohlgefälligen immer lächelnden Gesichtsausdruck macht er den Eindruck als hätte er sich gut in seine Umgebung eingefügt. Er genießt es, das quirlige Treiben in der Nachbarschaft zu beobachten, in der er seit drei Jahren lebt.

“Ich bin vor vier Jahren in Rente gegangen. Vorher habe ich mein ganzes Leben in einer Stahlfabrik gearbeitet. Ich habe nicht viel von der Welt gesehen und verheiratet war ich auch nie”, antwortet er auf die Frage, was ihn hierher geführt habe. Ein Freund erzählte ihm, dass hier alles anders sei.

“Hier ist man nie alleine; es gibt immer Leute um einen herum, die sich für einen interessieren, und alle sind so freundlich. Es gibt auch eine Menge zu beobachten…ich bin kein Mensch der vielen Worte, aber ich mag es, das Leben zu beobachten und die Straße ist voll damit. Ich kann nicht genug davon bekommen, darum bin ich immer noch hier, während die meisten Europäer wahrscheinlich schon längst abgehauen wären.”

Für viele westliche Individuen wäre es wohl in der Tat ein bisschen zu viel auf Dauer, neben der Hauptstraße von Ramkhamhaeng zu wohnen. Es scheint als wäre jeder Zentimeter auf und neben der Straße ausgefüllt. Jeden Abend verwandelt sich der Bürgersteig zu einem endlos langen Marktplatz. Das passiert ziemlich zur gleichen Zeit, zu welcher der Stau entsteht. Viele der provisorisch zusammengestellten Verkaufsstände sind illegal.

Straßenstand mit mobilem Essen in Bangkok

Ein mobiler Grill in Bangkok

Sie verkaufen dort alles, was man sich vorstellen kann, von Klamotten über exotisch aussehendes Essen bis zu gebrannten DVDs und anderer gefälschter Ware jeglicher Art. Die Passanten haben gerade noch soviel Platz, sich zwischen den improvisierten Ständen in zwei Reihen aneinander vorbei zu quetschen. Die Alternative ist es, auf die Straße auszuweichen und sich zwischen dem stehenden Verkehr hindurch zu schlängeln.

Geduckt, zwischen den Nischen der Stände, auf dem Boden, sitzen skurril verkrüppelte Bettler, blinde Musiker und alte Leute, um die sich niemand kümmert, um auf eine Spende der Passanten zu warten. Der Geruch des vor sich in riesen Töpfen hin köchelnden Essens erfüllt die Luft. Die laute Musik von einem der DVD-Stände macht eine Konversation schwierig. Dies ist die Stimmung, die Pierre geniest. “Da kann ich fühlen, dass ich am Leben bin.” Verkündet er mit einem Lächeln.

Tanjaphat Pipaporn (43) ist eine Hellseherin, ein anerkannter Beruf in Thailand. Sie behauptet, die Zukunft aus den Händen und an Hand von Karten, bestimmen zu können. Sie lächelt auch; nicht unbedingt wegen ihrer guten Laune, sonder hauptsächlich weil sie Staatsbürgerin im „Land des Lächelns“ (siehe u.a. auch auf www.thailand-sued.de) ist.

In Thailand ist das Lächeln ein Ausdruck für verschiedene Gefühlslagen. Es gibt Unterschiede zwischen einem Lächeln aus Ärger, Scham oder sogar Trauer. Allerdings ist das für das ungeübte Ausländerauge kaum zu unterscheiden und somit ist es für die meisten schwer zu erkennen, in welcher Stimmung sich ein Thai wirklich befindet.

Tanjapat sitzt auf einer Decke, auf dem Boden der Fußgängerbrücke. Vor sich hat sie einen Stapel Tarotkarten liegen und wartet auf einen späten Kunden. Es ist jetzt zwei Uhr am Morgen, Der Stau ist verschwunden, so wie die meisten Händler auch. Die Hellseherin meint fast beiläufig, dass sie auch gerne verschwinden würde. Nach Europa zum Beispiel, wo das Wetter kühl ist und die Luft sauber, sogar in den großen Städten. Wo jeder Mensch weiße Haut und natürlich auch viel Geld hat. Statt dessen wird sie morgen und auch die Tage danach wieder an der Ramkhamhaeng sein, genau so wie die Händler und der Verkehr.

Dieser Beitrag stammt von Alex Loew, der sich derzeit vor Ort in Bangkok aufhält und dort studiert. Die Fotos stammen ebenfalls von ihm (sofern nicht anders angegeben). Er wird nun regelmäßiger „live“ aus dem Land des Lächelns berichten und uns wertvolle Insights aus Thailand liefern – wir freuen uns sehr darauf;)